Konrad Bayer

Der sechste Sinn

Originaltonaufnahmen 1962–1964
Herausgegeben von Klaus Sander
Produktion: supposé 2002

2 Audio-CDs, 110 Minuten
ISBN 978-3-932513-32-9
Euro 24,80

Download (mp3, 320 kBit/s), 110 Minuten
ISBN 978-3-86385-120-0
Euro 12,95

Beschreibung

Konrad Bayer (1932–1964), früh verstorbenes Mitglied der legendären “Wiener Gruppe” (Achleitner, Artmann, Bayer, Rühm, Wiener), zeigt sich in den Originaltonaufnahmen dieser Doppel-CD wie in einem, in all seinen Empfindungen gesteigertem Leben vor dem Tod. Zu hören ist die Stimme Bayers, eine Stimme von berückender Intensität, in drei Auftritten aus den Jahren 1962 bis 1964: im Studio und live vor der “Gruppe 47”. Bayer liest aus verschiedenen Fassungen des unvollendet gebliebenen Romanmanuskripts der sechste sinn, seiner umfangreichsten und wichtigsten literarischen Arbeit, an der er jahrelang bis zu seinem Tod gearbeitet hat. In ihr artikuliert Bayer nicht nur die Ergebnisse seiner langjährigen Sprachexperimente, basierend auf einer radikalen Skepsis gegenüber Sprache als Vermittler und Kommunikationsmöglichkeit an sich, sondern auch Erfahrungen eines exzessiv geführten Lebens mit deutlichen Tendenzen zu Grenzsituationen. Durch die “Gruppe 47” (Ernst Bloch, Erich Fried, Walter Jens, Hans Mayer, Hans Werner Richter u.a.) werden die unveröffentlichten Texte Bayers vor ein intellektuelles Tribunal zitiert und einer Prüfung unterzogen, welche in dieser Form einmalig war und heute Geschichte ist. Wenige Tage nach seinem Auftritt im schwedischen Sigtuna begeht Konrad Bayer Selbstmord.

Inhalt

CD1
1) aus dem roman der sechste sinn
berlin, juli 1962 (28 min)

2) aus: der sechste sinn.
lesung vor der "gruppe 47"
saulgau, herbst 1963 (38 min)

CD2
3) einige passagen aus: der sechste sinn.
lesung vor der "gruppe 47"
sigtuna, september 1964 (43 min)

Hörprobe

CD1 Track 06  dort drüben läutet jemand ...

Pressestimmen

"Diese Doppel-CD mit Originaltonaufnahmen stört die Kanonisierung. Wir hören Konrad Bayer nicht als Altavangardisten, sondern kriegen die Ware direkt aus der Werkstatt geliefert. Die Dichte des Materials, die Vielfältigkeit der Technik, natürlich auch die Verweigerung, die nicht postuliert, sondern durchgearbeitet wird, erschliessen sich sofort. Nicht die Gruppe 47, Bayer hat den Konsens aufgekündigt."
Jungle World, Berlin

"Ein grosser Coup!"
Tages-Anzeiger, Zürich

"Auf die Doppel-CD trifft zu, was Ö1 unablässig von sich selbst behauptet: Die Lesungen Konrad Bayers aus dem Roman der sechste sinn gehören gehört, weil sie zu den unterhaltsamsten Tondokumenten der österreichischen Avantgarde zählen. Die Diskussionen dieser Texte innerhalb der Gruppe 47 gehören gehört, weil sie eindrucksvoll beweisen, was passiert, wenn formal avancierte Literatur unter den Maßstab der Moral gerät... Wenn man sich die Texte Bayers heute anhorcht, vermeint man an ihnen noch immer etwas von ihrer ursprünglichen Fremdheit zu spüren, und das hängt vielleicht wirklich damit zusammen, daß das kulturpolitische Umfeld, um diese Texte nur ja grundlegend falsch zu verstehen, in Österreich heute gerade wieder einmal genau das richtige zu sein scheint. Wäre der sechste sinn, an dem Bayer bis zu seinem Selbstmord Ende 1964 gearbeitet hat und der Fragment geblieben ist, nicht schon geschrieben, man müßte ihn heute neu erfinden, und man müßte gleich auch das Unverständnis miterfinden, auf das der Text (zumindest in der zweiten Lesung) vor der Gruppe 47 gestoßen ist. Das Unverständnis der Moralapostel schadet den Texten Konrad Bayers bezeichnenderweise nicht. Je weniger die Moral den Text zu fassen vermag (der Antisemitismus-Verdacht und die Auschwitz-Keule sind letztlich völlig unzulängliche Versuche), desto direkter wirkt dieser auf seine Zuhörer. Auf der Doppel-CD, die drei Lesungen Bayers versammelt, kann man sich davon unmittelbar überzeugen: Die Stimme des Autors wirkt so lebendig, als bezöge sich sein radikales Projekt literarischer Weltbefragung auf keine andere Zeit als die heutige."
Klaus Kastberger, Wespennest

"Bayers experimentierfreudiger Sprachwitz fragt immer nach der Sinnhaftigkeit des Sprechens und damit auch nach dem Sinn des Lebens. Nur ist für Bayer der Sinn des Lebens nicht ohne den sechsten Sinn, also nicht ohne das Okkulte, Surreale und das bodenlos Transzendente zu berechnen. Das Lachen, das die gestrengen Herren der Gruppe 47 bei Bayers Vortrag befiel, blieb Ihnen meist im Halse stecken. Der Wiener Melange aus gewieftem Sprachulk und dandyhafter Metaphysik waren etwa Erich Fried, Walter Jens und Hans Mayer nicht gewachsen. Allein Ernst Bloch delektierte sich am Zusammenspiel von 'Witz und Grauen' und empfahl Bayers Texte jedem anständigen Philosophen."
Die Welt

"Das Tondokument dreier Lesungen aus den Jahren 1962 bis 1964 erweist sich gerade in seiner Intensität des Vortrags als ein rares Juwel, das eindringlich an die alte Bindung von Dichtung und Musik erinnert. Diese Performances bieten zugleich auch bisher unveröffentlichte Passagen eines 'Romans', der mit seinem destruierenden Witz und seiner ungeheuren Wucht gegen die Konventionen von Kunst und Leben noch heute zu verstören vermag."
Horst Ebner, skug – Journal für Musik, Wien, 53/02

"Der Erfolg von Bayers Auftritt war überwältigend. Wie die Tonaufnahmen zeigen, kamen die pointierten Texte beim Publikum sehr gut an. Der Philosoph Ernst Bloch faßte in der anschließenden Diskussion die Reaktionen zusammen und brachte Bayers poetische Technik anhand des Schlußzitates aus der Lesung ("er nahm platz, sozusagen") auf den Punkt: Eine Form von Heimatlosigkeit auf der Welt und Sprengung des Verabredeten ist hier, und zwar bezeichnenderweise mit Witz. Der Witz und das Grauen hängen sehr eng zusammen. Im Kabarett des Grauens, hat einer gesagt, wird’s am Ende auch wieder ganz gemütlich. Das ist alles sehr gemütlich und auch alles sehr unheimlich ... Und die Sphären sind eingestürzt, das Verabredete hört auf. Und trotzdem ist alles in einem, noch nicht recht entdeckten Punkt wieder versammelt, und dieser Punkt wird durch diese uferlosen Assoziationen erleuchtet, und am Schluß kommt das melancholische "sozusagen", aber in Verbindung mit etwas so Sicherem, Verabredeten, Heimathaften wie "Er nahm Platz" ... Also eine neue Form, von der die Philosophen manches lernen könnten."
Klaus Kastberger: Alchemie des Ganzen, in: Die Teile und das Ganze, Profile Bd. 10, Wien 2003

"Die historisch wertvollen Aufnahmen zeigen, wie Bayer mit skeptischer Radikalität der Sprache begegnete und sie in seiner exzessiven Distanz bearbeitete."
Klaus Hübner, titel – Magazin für Literatur und mehr, Heft 01, März/April 2003

 

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