Beschreibung
Der Hirnforscher Detlef B. Linke ist ein Ausnahmedenker – nur selten gelingt, wie hier mit souveränem Gestus, der Brückenschlag zwischen den Disziplinen: so spannen sich seine Gedanken beweglich und ungemein unterhaltsam, den ganzen Reichtum der Verbindungen ausschöpfend, zwischen Neurobiologie und Philosophie, Evolution und Ethik.
Der Rhythmus seines Denkens aber lebt vom Fluss der Mündlichkeit – auch die Bücher Linkes entstehen aus den Transkriptionen besprochener Bänder – und von daher zeigt sich die Tonaufnahme als Medium der Mitteilung in diesem Fall als geradezu ideal. Linke führt uns durch die Landschaften des Gehirns, in seine „Lichtkammern und Dunkelräume“, durch die Schönheit seiner Architektur und die Tiefen seiner Pathologien.
Was meinen wir, wenn wir „Ich“ sagen? Wo ist das „Ich“ zu Hause, wo finden wir uns wieder in der Welt? Lassen sich „Ich und Körper“ einfangen im gleichen Modell, in der gleichen Wirklichkeit – sind beide identisch? Und was etwa – mit Blick auf deren Identität – bedeutet die Trennung Siamesischer Zwillinge, das gewaltsame Zerlegen in „Ich und Du“? Ist der andere in uns nicht unverzichtbarer Teil… spiegeln wir uns, entgehen wir uns selbst, ohne der Mimesis, dem anderen, ohne den Prozessen der Menschwerdung jemals zu entgehen? Wächst aus diesem Spiegelkabinett des konstitutiven Miteinanders dann später die Sprache? Ist der rückkopplungsfreie Mundraum, in welchem Innen und Außen ineinander übergehen, das Spielfeld, auf dem wir uns in die Welt hinein entwerfen? Wie kommt es zur Asymmetrie der Hirnhälften und ließen sich aus ihrem Zusammenspiel Biographien beschreiben oder die Eigenleben der Geschlechter? Steuert das männliche Testosteron Linkshändigkeit und Kreativität? Und welches sind die Zeiten des Gehirns, seine Rhythmen, Tempi, wechselnden Takte; kennen Inhalte ihre je eigenen Zeiten und worin liegt die Katharsis des Lachens? Haben wir mit Hölderlin als Hirnforscher, in seiner Poetik ein Modell für eine mögliche Einheit im Hirn? Sicher scheint nur, dass wir nicht(s) ohne den Anderen sind – immer in der Hoffnung, dass da noch ein Anderer ist, der auf uns wartet…
Inhalt
Was meinen wir, wenn wir "Ich" sagen?
Die Trennbarkeit von Ich und Du
Der Mundraum
Einige Bemerkungen zur Sprechmotorik
Hemisphärenmodell und Geschlechterdifferenz
Eine japanische Zeremonie
Testosteron und Kreativität
Kein Taktgeber im Gehirn
Hölderlin als Hirnforscher
Jenseits von Tod und Leben
Pressestimmen
"In freier Rede verbindet Linke Psychologie, Neurologie und Philosophie und führt dem Hörer auf diese Weise die Komplexität der Hirnforschung vor Ohren. Besonders die Frage nach dem Ich treibt ihn um. Was bezeichnet dieses Personalpronomen? Dient die Haut dem Ich als Außengrenze? Oder ist Ich alles, was nicht das Andere ist? Schließlich bezieht Detlef Linke sogar noch die Poetik in seine Überlegungen mit ein und entdeckt in Hölderlins Rhythmustheorie ein Modell für die Funktionsweise des Gehirns."
Tobias Lehmkuhl, Berliner Zeitung
"Bei seinen gedanklichen Streifzügen durch Gehirn und Körper trifft Detlef B. Linke auf Adorno und Mozart, Leonardo da Vinci und Kant, und er entdeckt eine geniale Zeit- und Hirntheorie in den poetischen Kommentaren Hölderlins. Kritisch und differenziert reflektiert er über die Geschlechterdifferenz, mögliche Zusammenhänge zwischen Biografie und genetischer Anlage, und über Kreativität."
Dorothea Breit, WDR 3 Resonanzen
"Sie ist eine Art Vermächtnis, die Audio-CD des kürzlich verstorbenen Neurowissenschaftlers Detlef B. Linke: Während rund 76 Minuten vermittelt der zeitlebens vielseitig interessierte Forscher eine Fülle aktueller und älterer Erkenntnisse rund um das Gehirn. Beginnend mit der Frage, was wir meinen, wenn wir "ich" sagen, handelt er Themen wie Sprechmotorik, Geschlechtsunterschiede oder Linkshändigkeit ab. Er flicht außerdem Fälle aus der Praxis und Vergleiche mit berühmten Persönlichkeiten mit ein und verknüpft sie mit wissenschaftlichen Ergebnissen."
Hartwig Hanser, Gehirn & Geist
"Gleich zwei Mal ist supposé im vergangenen Jahr für sein ungewöhnliches Profil ausgezeichnet worden: mit dem Kurt-Wolff-Preis und dem vom WDR gestifteten Deutschen Hörbuchpreis. Dabei mag Klaus Sander eigentlich nicht gern von "Hörbüchern" sprechen. Das klingt ihm zu sehr nach Zweitverwertung und "Wir lesen vor". Er wünscht sich eine eigenständige akustische Publikationsform und wirbt um Anerkennung für Qualitäten, die auf Papier nicht zu haben sind: supposé ist den Sprechhaltungen, der Sprachmelodie und Spontaneität auf der Spur. Vom "Eros" der Stimme sprach Kulturstaatsministerin Christina Weiss in ihrer (Kurt-Wolff-)Laudatio. Es ist das hörbar Spekulative, das die Zuhörer anspricht. Denken ist sexy, wenn es die Ungewissheit riskiert, in die einen auch Liebesdinge stürzen. Alles (auch) eine Frage der Anatomie, wenn es nach Detlef Linke geht: Auf einer supposé-CD spekulierte der im Februar diesen Jahres verstorbene Neurologe über eine Anomalie in Hölderlins Gehirn, die die emotionale Reizbarkeit des Dichters gesteigert haben mag. Es ist vor allem die Reflexion über die Sprache, ihre klanglichen Unter- und Nebentöne und ihre gesellschafliche Bedeutung, die – oft autobiografisch betrachtet – als geheimes Leitmotiv das heterogene Verlagsprogramm zusammenhält. Detlef Linke, ein Rhetoriker und mitreißend extemporierender Redner, dessen Artikulation zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits durch eine halbseitige Gesichtslähmung beeinträchtigt war, gibt dafür das wohl berührendste Beispiel."
Frank Kaspar, Theater heute
"Kurz vor seinem Tod und schon dermaßen geschwächt, dass ihm eine schriftliche Niederlegung seiner Gedanken unmöglich war, hat es Detlef B. Linke auf sich genommen, sein 'intellektuelles Testament' in freier Rede zu formulieren und auf Band aufzeichnen zu lassen. Mögen sich auch manche von Linkes Äußerungen auf eher spekulativer Ebene bewegen, an der Notwendigkeit, den in ihnen angesprochenen Problemstellungen mit größtem wissenschaftlichem Ernst nachzugehen, besteht keinerlei Zweifel. Die beiden von supposé vorgelegten bewegenden Tondokumente mit Detlef B. Linke stellen ein Vermächtnis dar, das noch lange in die Zeit hineinwirken wird."
Adelbert Reif, Universitas
Erzähler
Detlef B. Linke, geboren 1945 in Struwenberg (Brandenburg). Arzt, Hirnforscher und Philosoph. Professor für Klinische Neurophysiologie und Neurochirurgische Rehabilitation in Bonn, ist am 6. Februar 2005 nach langer Krankheit gestorben.