Beschreibung
„Zwei Münder vereinigen sich zu einer schönen Sangstimme. Weil sie alles wissen und weil sie alle Lust versprechen,die möglich ist, soll Odysseus das Schiff anlegen, an der Insel. Das sind die beiden Sirenen,die in der späteren ikonographischen Tradition auf den Vasen immer drei sind und immer schreckliche Mischwesen: oben Jungfrauen mit Busen, unten Krallen und Vögel – bei Homer sind es einfach zwei schöne Nymphen.“
Friedrich Kittler betreibt experimentelle Philologie, bereist die Sireneninseln und verlebendigt so die Geschichte des Odysseus. Er erzählt von den honigsüß summenden Stimmen der Frauen, der Geburt der Musen, den Ausschweifungen Kirkes, läßt Göttinnen auftreten, Huren und Nymphen – über allem aber schwebt Musik und die Erotik der Mathematik… Es geht um Verzauberung und die Grausamkeit der Verführung, um das „Lächeln im unsterblichen Gesicht“ (Sappho) und das Fortdauern des Namens durch die Zeiten, bis er heute seinen Eintrag im „Sprechbuch“ findet. Kittler beschwört unser griechisches Erbe, den Ursprung aller Wissenschaften.
Pressestimmen
"Der Berliner Kulturwissenschaftler Friedrich Kittler ist nach Italien gereist, auf die Sireneninseln, und hat dort, wie er behauptet, die Philologie nach 2800 Jahren endlich einmal auf eine experimentelle Basis gestellt 'statt immer nur auf eine Textwichserei'."
Berliner Zeitung
"Das Hörbuch ist die Einführung des Punk in die deutsche Philosophie beziehungsweise Philologie. Kittler liest keinen wohl formulierten Text stur betont daher, er erzählt, was ihn an Odysseus, den Sirenen und dem griechischen Denken fasziniert und warum er sich auf die Reise der Empirie begeben hat. Man sollte das Kennzeichen "Punk" hier aber nicht mit den berühmten drei Akkorden, die endlos hintereinander geschrammt werden, verwechseln. Kittler ist überaus belesen, der griechischen Sprache so mächtig, daß er bekanntere Philosophen wie Theodor W. Adorno oder Michel Foucault in Nebensätzen als Laien der griechischen Sprache entlarvt. Kittlers technische Fähigkeiten sind die eines Jazzmusikers, um im Musikbild zu bleiben, dem auch nach 56 Minuten Spiel die machbaren Ideen nicht ausgehen. Punk meint vielmehr im Zusammenhang dieses großartigen Hörspiels, das es erlaubt, einem Denker bei seiner Arbeit zuzuhören, daß er mit dem geprochenen Text des Hörspiels hinter die geschliffene Schrift zurückgeht, oder auch die Art und Weise, wie er das Einfache, das Klare griechischen Denkens unter dem Schleier von 2000 Jahren christlicher Verblendung hervorholt."
Cord Riechelmann, mare
"Lust und Wissen sind für Friedrich Kittler eins, weshalb er die Wissenschaft wieder erotisieren will – ein Unterfangen, bei dem man nur viel Glück wünschen kann. Jedenfalls ist es ein Vergnügen, Kittler über den im Griechischen versagenden Adorno spotten oder ein Fragment Sapphos interpretieren zu hören. Mit Alexander Kluge gesprochen: Für alle Neu- wie Altgierigen: ein Muß!"
Knut Cordsen, Bayern 2 Radio
"Das Hörbuch, auf dem er mit hörbarer Begeisterung Sapphos einziges vollständig erhaltenes Gedicht rezitiert, führt vorzüglich in Kittlers Griechenland ein."
René Aguigah, Literaturen
"Kittler zitiert, rekapituliert, rekonstruiert, ja, er reanimiert die Geschichte des Odysseus und die ihn umschwirrenden Gestalten wie die Nymphen und die Sirenen. Auf seiner Reise zu den Sireneninseln dringt Kittler mit scharf geschliffenem Bohrer direkt ins Hirn der altertümlichen Literatur ein, die, so sein Credo, in der griechischen Variante das Erbe aller Menschen und den Ursprung der Wissenschaften in sich trägt. Er hat die Angst vor der Berührung mit den hehren Künsten des Altertums und seiner nachfolgenden Protagonisten entheiligt. Alleine deshalb lohnt es sich schon, ihm eine Stunde lang zuzuhören."
Klaus Hübner, Jazzthetik
"Mit diesem Sprechbuch, wie Kittler es nennt, geht er hinter die geschliffene Schriftsprache zurück, zum mündlichen Erzählen, woraus alle Literatur entstanden ist. Anders als sein Kollege Peter Wapnewski mit seinen Nacherzählungen des Nibelungenlieds und anderer mittelalterlicher Epen, liest Kittler keinen wohl formulierten Text ab. Er strolcht auf Seitenwegen durch die griechische Mythologie und erzählt gegen jeden Lehrplan, was ihn an den griechischen Helden, ihren Göttern und dem antiken Denken fasziniert. Beiläufig, im Konversationston, plaudert er vor sich hin, zündet sich eine Zigarette an, trinkt, verfertigt hörbar die Gedanken beim Reden, gönnt sich Pausen, ganz so, als säße er am Tisch unter Freunden. Geschliffen Scharfes mischt sich mit krausem Kauderwelsch. Dabei geht es um nichts weniger als um die griechische Variante des Erbes der Menschheit und den Ursprung der Wissenschaften. Es ist amüsant, man fühlt sich gut unterhalten. Kittler benimmt sich wie ein Archäologe, der ein paar Scherben gefunden hat, und so tut, als ließen sie sich zu einer Tasse zusammensetzen. Am Ende steht da ein ganzes Service, man schmeckt förmlich die Getränke, hört die Gespräche, sieht ganze Gastmähler vor sich. Das ist fröhliche Wissenschaft!"
Edelgard Abenstein, Deutschlandradio Kultur
"Einer der aufregendsten Denker dieser Tage ist der Berliner Medien-Professor Friedrich Kittler, dessen aktuelles Projekt den Sirenen gilt. Die Medienwissenschaft werde ihm langsam langweilig, erklärt er auf Musen, Nymphen und Sirenen. Vor einiger Zeit reiste Kittler nach Italien, um nachzuweisen, dass Odysseus an der Insel der Sirenen nicht nur vorbeischipperte, sondern dortselbst an Land ging. Und davon erzählt er nun in angenehm plauderndem Tonfall, als säße man bei Wein und Zigaretten am Tisch und machte sich mit ihm einen schönen Abend. Kittlers intellektuelle Verve, seine Graecomanie und sein Talent zum blitzenden Kurzschluss sind über die Maßen faszinierend."
Katrin Schuster, Freitag
"Klarer als in Musen, Nymphen und Sirenen ist die Symbiose von Lust und Wissen niemals dargestellt worden. Dass die Geschichte von Odysseus bis heute ohne ein Verständnis über die Möglichkeiten des Mediums erzählt wird, bot Kittler 2005 auch den Anlass, sich ganz aus der Medienwissensschaft zurückzuziehen. Aus diesem Grund kann man das Hörbuch zu Odysseus’ Sirenen auch als eine Art Vermächtnis des am 18. Oktober in Berlin verstorbenen Germanisten lesen."
Cord Riechelmann, Jungle World, 27.Oktober 2011
"Nicht das Überzeugen ist Kittlers Sache, sondern begeistern will er seinen Hörer – und er tut's. Sirenen- und Schwanengesang eines großen Denkers."
Thomas Leitner, Buchkultur, Nr. 140, Februar/März 2012
Erzähler
Prof. Dr. Friedrich Kittler, geboren 1943, Literaturwissenschaftler und Inhaber des Lehrstuhls für Ästhetik und Geschichte der Medien am Institut für Ästhetik der Humboldt-Universität zu Berlin.