Beschreibung
Wenige Begriffe haben in der letzten Zeit eine größere Konjunktur gehabt als das Wort “Vertrauen”. Eine solche Konjunktur verweist auf ein erhebliches Defizit, gerät aber auch in die Gefahr, Überdruss zu wecken, weil man das Wort nicht mehr hören kann. Hilfreich dagegen könnte es sein, sich anhand der Ideengeschichte die historische Kontinuität und die grundsätzliche Bedeutung des Zusammenhangs von Vertrauen und freiheitlichem Zusammenleben vor Augen zu führen, um die Wiederholungen der Tagesdebatten für einen Augenblick zu verlassen. Oft öffnet die Rückbesinnung auf die Geschichte zudem einen neuen Blick auf die Gegenwart. Überlegungen zur politisch-philosophischen Bedeutung von Vertrauen sind wichtig, um die Fundierung der gegenwärtigen Debatte in der Ideengeschichte zu verstehen. Von heute aus betrachtet, stellt sich die Frage, wie es um die Chance von Vertrauen in Deutschland, in Europa und in der Welt gegenwärtig wirklich bestellt ist. Denn der seit Jahrzehnten anhaltende Vertrauensschwund in den westlichen Demokratien kann ja nicht nur mit der moralischen Qualität der Politiker bzw. überhaupt der Bürger zu tun haben. Wenn zum Beispiel historische Erfahrungen oder politische Handlungen die Misstrauenspotenziale in den Menschen stärken, dann helfen philosophische Klärungen, so notwendig sie sind, in der Praxis nur bedingt weiter. Die Chancen demokratischer freiheitlicher Politik werden in dem Maße steigen, wie es uns gelingt, das Vertrauenspotenzial in der Gesellschaft zu stärken. Das ist nicht die Aufgabe der Politik allein, denn wir sind nicht einfach Konsumenten, die zurückgelehnt das Treiben auf dem Markt der Möglichkeiten betrachten oder schauen können, wie wir die Konkurrenz am besten ausstechen. Wir sind immer auch Bürger (citoyens), denen das Gemeinwohl, wenn es nicht vor die Hunde gehen soll, im wohlverstandenen eigenen Interesse genauso am Herzen liegen muss wie das private…